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Holunderbusch-im-Elm

„Denn meinem Principe [sic] gemäß, kommt es nicht darauf an „Was“, sondern „Wie“, zum Leidwesen der Kritiker, Zeitungsschreiber und des großen Haufens, denen das „Was“ die Hauptsache ist, weil die einen hierin ja ihr Objekt finden, über das sie sich nach Belieben verbreiten können und die ändern auch daran etwas haben, worüber sie schwätzen können, das „Wie“ aber etwas ist, was erstens sehr wenige verstehen, zweitens aber auch kaum beschrieben werden kann, was es auch nicht nöthig [sic] hat, denn es ist ja gemalt und jeder soll sich’s selbst ansehen, und wenn einer der Rechte ist, so wird er finden, was er sucht.“

Wilhelm Leibl in einem Brief vom 3.6.1876 an seine Mutter

 

Auch für Heinz Neumann steht das „Wie“ jedes Mal als großes Fragezeichen auf dem weißen Blatt Papier, wenn er es mit Reißzwecken auf einer Holztafel befestigt. Die Sonnenblumen bei Braunschweig sind dieselben wie eine Woche zuvor, der Holunderbusch im Elm steht schon seit Jahren immer wieder Modell. Das „Was“ ist also nur insofern entscheidend als es die Palette des „Wie“ modifiziert. Aber egal, ob es sich um Sonnenblumen, einen Holunderbusch, Schwertlilien oder einen Wald handelt, jedes Mal will die Farbe „moduliert“ werden – wie Cézanne es nennt – um eine dichte Formenwelt entstehen zu lassen. Heinz Neumann setzt kräftige Farbflecken nebeneinander, die im Zusammenspiel ihres Ausdrucks und ihrer Kraft konkrete Formen sichtbar machen, die sich jedoch weitgehend in der Fläche zurückhalten.

Aus den gelben Farbtönen setzt der Betrachter ein Blütenmeer zusammen, aus kräftigen Klecksen in weiß, schwarz und grün in kalten und warmen Nuancen ein struppiges Buschwerk, und die blau-weißen Flecken machen den Himmel eines angenehm temperierten Sommertages spürbar. Tritt man jedoch vom „Was“, das man so gut zu kennen glaubt, zurück und konzentriert sich, wie Leibl es fordert, ganz auf das „Wie“, dann wirken die Bilder von Heinz Neumann geradezu abstrakt in ihrer intelligenten Komposition sich gegenseitig steigernder Farbflecken.